Dialekt oder Mundart ?
“Die Spracheninsel“
Allgemeines
Der Oberharzer Dialekt ist ein mitteldeutscher,
obersächsischer, nordwest-böhmischer Dialekt mit
ost-/oberfränkischen Wurzeln, der bereits im
10. Jahrhundert seinen Anfang mit den Dialekten der Sachsen,
der Böhmer und Franken im Oberharz nahm. Ostfränkisch und
Sächsisch sind heute Hauptmundarten Deutschlands. Ab dem frühen
16. Jahrhundert ergänzte er sich durch die Dialekte der
zugewanderten Bergleute der Herzogtümer Europas. Diese fanden
Einlass in einen „Sprachen-Pool“, z.B.: Französisch,
Niederdeutsch, Hochdeutsch, Thüringisch, Englisch, Alemannisch,
Tirolerisch. Französische Einflüsse gibt es in Schlesien und im
Erzgebirge nicht.
Der elitäre Stand der Bergleute war sozusagen "Wanderarbeiter
mit Familie", die sich immer dort niederließen, wo soziale
Bergrechte als "Berggeschrei" verkündet wurden. Die zuständigen
Landesherrn begriffen den hohen Wert der sozialen Bergrechte
und lockten so aus allen Teilen Europas Bergleute in den
Oberharz. Leider wurden die Bergrechte öfters von den gleichen
Personen mißachtet, so dass es oft zu sehr heftigen
Streitigkeiten mit den Braunschweiger Welfen kam. Bergleute im
Oberharz waren mit ihrem Tscherper oder einem Heckel, einer Art
kleiner Axt, aber auf Weisung des Landesherrn, bewaffnet. Als
König Jerome Bonaparte von Westphalen für sein Einflussgebiet,
zu dem auch das "Departement du Harz" gehörte, das Ende der
Leibeigenschaft verkündete, wurde im Oberharz nur leicht
gelächelt, denn hier gab es noch nie Leibeigenschaft.
Hinzugefügt wurde auch der neue Dialekt "Hochdeutsch". Über
diese sprachliche Vereinfachung freuten sich die Drucker.
Sie konnten ihre Drucke im allgemein verständlichen
"Hochdeutsch" drucken. Der Oberharzer Dialekt existierte aber
wesentlich früher als das Hochdeutsche.
Oberharzer Autoren formulierten ihre Reime unter dem Eindruck
der Französischen Revolution (1789-1799) in Hochdeutsch.
Dennoch ist der Oberharzer Dialekt nicht ausschileßlich eine
Gruppensprache der Bergleute, sondern eine alltägliche
Umgangssprache, die aber örtlich begrenzt und nuanciert in den
sieben Oberharzer Bergstädten gesprochen wird..
Unser Dialekt ist weltweit einmalig und hoch integrativ, denn
Menschen aus allen Teilen Europas arbeiteten in den Gruben,
lebten und arbeiteten aber auch über Tage, ohne besondere
Spannungen, ohne Feindseligkeiten, aber mit einer besonderen
Art des Zusammenhaltes.Dieses Zusammenleben führte zu
zahlreichen epochalen Erfindungen. Ein Sohn dieser Bergstadt
ist der Virologe, Epidemiker und Arzt Dr. med. Robert Koch, der
Sohn des Bergrates Hermann Koch am Oberbergamt Clausthal.
Der Oberharzer Dialekt entwickelte sich über Jahrhunderte
eigenständig mit wenigen Regeln. Bis auf vielfach
zurückkehrende Erzgebirger waren es einige andere Sprecher. Sie
beeinflussten den sich ausgebildeten Oberharzer Dialekt nicht
mehr sonderlich, hinterließen aber sprachliche
Ausformungen.
Eine Verwandtschaft zum erzgebirgischen und gebirgsschlesischen
Dialekt ist selbstverständlich vorhanden. Grunddialekt dürfte
aber das Ost-/Oberfränkische sein. Dazu sind auch die
Besiedelungszeiten der Bergbaugebiete hüben und drüben zeitlich
unterschiedlich. Im Oberharz allerdings früher.
Der "wissenschaftlich datierte" Oberharzer Dialekt resultiert
in seiner Gesamtheit aus der landesherrschaftlichen Rückhol-
und Ansiedlungsaktion von Bergleuten, auch aus dem Erzgebirge,
im frühen 16.Jahrhundert, allerdings überwiegend in den
Bergstädten Wildemann, Lautenthal, geringer in Andreasberg..
Dennoch hielt sich die Zuwanderung aus dem Erzgebirge in
Grenzen, wird anfangs des 16. Jhdts. sogar landesherrschaftlich
verboten. In 50 Jahren sind in die westlichen Bergstädte knapp
50 % der Einwohner aus dem Erzgebirge zugewandert. Die freie
Bergstadt Clausthal hatte 1850 mehr Einwohner als Hannover.
Schon ab 1830 förderte das Oberbergamt die Auswanderung seines
"Bergvolkes" in alle Welt, zu.B. Neuseeland, Australien, USA,
Süd-Amerika, Nord-Europa usw. Auswanderungsbeauftragter war der
Bergrat am Oberbergamt, Hans von Meuselbach, der mit einer
Hugenottin verheiratet war, später selbst in die USA (Texas)
auswanderte.
Die Oberharzer Mundart, das Vogtländische und das obersächsisch West-Erzgebirgische gehören sprachlich in die ostfränkische Sprachenfamilie. Besonders auffallend sind dazu die vielen Wortverwandtschaften in Klang, Schrift und Bedeutung. Was in der bayerischen Rhön "schlacht" (schlecht) ist, ist es auch in Ton, Bedeutung und Schrift im Oberharz und was dort "racht" (recht) ist, ist es auch im Oberharz. In der bayerischen Rhön ist man "drhemm", wenn man "Zuhause" ist, hier auch. Der "Moh" (Mann) im Fichtelgebirge ist es auch in Franken, im Erzgebirge und im Oberharz, ebenso seine "Frah" (Frau). Im Schlesischen ist die Schreibweise etwas anders, man kann aber den Stamm erkennen.
Eine völlige Fehlbezeichnung für unseren Dialekt ist:
"Oberharzer Platt". Der Begriff
"Platt" bezieht sich auf ein einfaches Sprechen, also
ohne Nuancen in der Betonung, ohne eine Wortschöpfung, ohne
einen leicht singenden Klang, ohne das gerollte "r", ohne
arbeitsspezifische Einflüsse.
Später kam als Ortsbezeichnung für einfaches Sprechen der
Begriff "Küsten- und Moormundarten“ hinzu. Es gibt
zahlreiche weitere wissenschaftliche Annahmen zu dem Begriff
"Platt".
10 Dialekte bilden die Oberharzer Mundart, die im Laufe der Jahrhunderte Ausspracheschwankungen unterlegen war, oft ausgehend von einer Vereinheitlichung durch das zunehmend populärer werdende Hochdeutsch.
Dennoch hat sich der Oberharzer Dialekt eigenständig
entwickelt.
Eines ist wohl
unstrittig: Der Oberharzer Dialekt war viel eher präsent
als die hochdeutsche Schriftsprache des Martin Luther!
Wie begann es eigentlich und welche Begleitumstände wies der Dialekt auf?
Aus allen Teilen der damaligen Bergbaugebiete wanderten Anfang bis Mitte des 16. Jahrhunderts (1520) Berg- und Hüttenleute wegen der neuen und sehr sozialen Bergrechte mit ihren Familien zu, so aus Ostfranken, Obersachsen, Böhmen, alemannischen Gebieten, der anhaltinischen Magdeburger Börde, dem niederdeutschen Harzvorland, Süd-Tirol, Tirol, Schlesien, der Normandie oder aus dem französisch-hugenottischen Burgund.
Gemäß Order des braunschwegischen Herzogs gründeten 1596 Oberharzer Bergleute den Steinkohlebergbau und die Ortschaft "Osterwald" bei Bad Salzdetfurth / Pyrmont.
Sofort nach dem 30-jährigen Krieg (1618 - 1648) wurden in Süd-Tirol Markscheider und in Meißen Bergleute mit ihren Familien angeworben. Französisch-hugenottische Bergleute aus dem Burgund arbeiteten zusammen mit böhmischen, Tiroler mit Bördern und Sachsen, Franken mit Hoch- und Niederdeutschen.
Der Oberharz wurde unter König Jerome Bonaparte sogar als „Departement du Harz“ 1807 dem Königreich Westphalen zugeschlagen. Der neue König von Bruder Napoleons Gnaden sprach kein Deutsch und keine Mundart, es blieben Relikte des Französischen zurück, von dem heute noch "eingeoberharzerischte" Begriffe in unserer Mundart existieren.
Der moderne Oberharzer Dialekt ist ein Mix aus Mundart und Hochdeutsch sowie niederdeutschen Einflüssen mit einer besonderen Betonung. Diese Sprechart wird "Mäßnersch", also "Meißnerisch", resultierend aus der Sprechart der Stadt "Meißen", genannt. Übrigens wurde Meißen bergmännisch durch Oberharzer Bergleute gegründet.
Immaterielles
Kulturerbe der Menschheit (IMK) gilt nicht für den Oberharz
?
Deutsche Dialekte sind Zeugnisse einer besonderen deutschen
Sprachkultur (O-Ton des Forschungszentrums
Deutscher Sprachenatlas, Universität Marburg). Es müssen immer
seltener werdende Zeugen einer deutschen Sprachkultur zumindest
erhalten werden. Dialekte sind reinste Nachweise dieser Kultur.
Dazu zählt auch der Oberharzer Dialekt.
Der Oberharzer Dialekt erfüllt definitionsgemäß die Kriterien
zur Einordnung in die europäische Charta für Regional- und
Minderheitensprachen, der sich auch das Land Niedersachsen zur
Förderung verpflichtet hat. Bisher fand sich niemand bereit, zu
den niederdeutschen Küsten- und Moormundarten nun auch noch den
Oberharzer Dialekt zu fördern. Vermutlich ist das Fördergeld
nun schon im Norden ausgegeben worden. In Niedersachsen
existiern weitere örtlich begrenzte Mundarten, z. B. das
Calenbergische vor Hannover.
Wortbeispiel “der Berg"
Am hochdeutschen Wort "der Berg" soll verdeutlicht werden, wie in Oberharzer Bergstädten unterschiedlich betont wird.
So wird "der Berg" nur in der Theatersprache als "der Berg" gezielt betont mit "g" ausgesprochen.
Im Hochdeutschen spricht man: "der Berch", wobei sich das "g" zum "ch" wandelt, so auch die gängige Schullehre.
In Clausthal heißt er "dr Barch", ausgesprochen mit Unterdrückung des Vokals "e" im bestimmten Artikel und unter Umwandlung des Vokals "e" zum Vokal "a" im Substantiv
In Zellerfeld, St. Andreasberg, Lautenthal und Wildemann wird "dr Barrich" so gesprochen, dass das "doppelte r" des Substantives im hinteren Rachenraum stark gerollt wird, ähnlich dem Amerikanischen.
In Altenau spricht man dagegen von
"dr Bark",
sprachlich abgeleitet von der ursprünglichen Bezeichnung für
die landesherrschaftliche Einrichtung: "Barkamt",
"Bergamt", wird heute für die Brauchtumsgruppen benutzt, die
als “Barkamt”
bezeichnet werden. Das wäre auf den Altenauer Autor, Lehrer und
Heimatforscher Karl Reinecke zurückzuführen, der auch in seinen
Romanen die Altenauer Variante schrieb.
Den Oberharzer Dialekt auf eine einzelne Bergstadt oder einen einzelnen Sprecher zurückzuführen, wäre falsch. So wird der niederdeutsche bzw.der Dialekt der Lüneburger Heide auch nicht auf Hermann Löns zurückgeführt, der im übrigen vom Oberharz überhaupt nichts hielt. Wahrscheinlich hat er uns nicht richtig verstanden oder das Wetter hat ihm nicht gepasst..
Merkmal: Kein Dativ (3. Fall im Hochdeutschen)
Beispiele:
"Ich schproch mit den in dn
Rohthaus"
In der direkten hochdeutschen Übersetzung:
"ich sprach mit den in
den
Rathaus",
wobei “den” oft durch “dann” ersetzt wird.
Auf Hochdeutsch wäre korrekt:
( ... ) ...mit dem in
dem
Rathaus ...
“Ewerharzer Kinner giehn iebr dr Schulwies hemm”,
direkt übersetzt:
"Oberharzer Kinder gehen über der
Schulwiese nach Hause".
Auf Hochdeutsch wäre korrekt:
(...) ... gehen über die
Schulwiese nach Haue ...
Merkmal
“Konsonantenaustausch" G für K" und "J" für
"G"
Aus der Altenauer Variante der Oberharzer Mundart resultiert auch die sprachliche Einordnung von Karl Reinecke, das Bergamt als "Barkamt" zu bezeichnen.
Durch das sprachliche Nebeneinander von Oberharzer Dialekt und Niederdeutsch klingen die Altenauer und die Andreasberger Variante hörbar anders, denn der harte Konsonant "K" wird durch das weichere "G" ersetzt, zusammen mit dem niederdeutschen "J" für das "G":
Die folgenden Beispiele hat uns unser Mitglied Alfred Kneistler (+) irgendwann einmal erzählt.
Altenauer Dialekt:
“Garel, jeh dich rasch in dn Galler, net dos dich de Gatze an dn Gimmelgäse jeht”
Hochdeutsch:
“Karl, geh rasch in den Keller, nicht dass die Katze an die
Kümmelkäse geht,
oder:
„dat Jeld liecht dich inne
Schuplade“
das Geld liegt in der Schublade
oder ein geflügelter Satz als Anspielung auf einen erfolgreichen Altenauer Skispringer/Wintersportler;
“Guck dich mahn Friedhelm ahn, der is dich wie `ne Daube iebr dr Schanze wack”,
Hochdeutsch:
"Schaut euch meinen Friedhelm (Klapproth) an, der (fährt leicht
wie ...) ist wie eine Taube über die (Sprung-) Schanze hinweg."
Merkmal: Doppelbuchstaben oder ein "h"
In den Bergstädten Wildemann und Lautenthal mit ihrem westerzgebirgischen Einfluss werden langgezogene Buchstaben als Doppelbuchstaben, z.B. “aa” geschrieben und gesprochen, während in Clausthal und Zellerfeld dafür das tonverlängernde "h" eingesetzt wird.
Das hochdeutsche Wort "auch" schreibt man in Wildemann, Lautenthal und St. Andreasberg als "aach", in Clausthal und Zellerfeld aber "ahch". Die Bedeutung ist natürlich gleich und nur Oberharzer hören den Unterschied. Für Nicht-Oberharzer klingt es gleich.
Das hochdeutsche "Auge" heißt dort: "Aach" und in Clausthal-Zellerfeld: "Ahch".
Den sprachlichen Unterschied kann man nur im Kontext erkennen.
Beispiel auf Mundart westharzerische Bergstädte:
Mei rachtes
Aach dutt mr weh, es annere Aach aach
Beispiel auf Mundart Bergstadt Clausthal, Zellerfeld
Mei rachtes
Ahch tutt mr weh, es annere Ahch ahch
Auf Hochdeutsch:
Mein rechtes Auge tut mir weh, das andere Auge auch
Merkmal: kein "ö" und kein "ü"
Das nächste Merkmal der Oberharzer Mundart ist die Entrundung von "Ö" und "Ü".
Also in normalem Dialekt gesprochen: “mr han kän “ü” un ahch kän “ö” in unnerer Schprohch.
In ihr sind heute noch französische Einflüsse erkennbar, die von in das braunschweigische Herzogtum eingewanderten Hugenotten, aber auch von der dreimaligen französischen Besatzung Clausthals herrühren könnten. Dabei wird die Zeit der Zugehörigkeit zum französischen “Departement du Harz” des Königreiches Westphalen nicht vergessen.
Das Oberharzer "wos äne Plörre", hochdeutsch: "was eine Plürre", entstammt dem französischen “pleurer”, "weinen", was im übertragenen Sinne so viel heißt wie, das Getränk ist geschmacklos wie eine Träne ist (obwohl Tränen salzig sind)
Oberharzer Hausfrauen bezeichnen ihren Stieltopf als "Kasseroll", die französische "Casserole", oder man fühlt sich "malade", also krank. Es gibt noch diverse andere französische Beispiele in unserem Dialekt.
Französischen Relikte im Oberharzer Dialekt sind noch vorhanden, allerdings nicht mehr so leicht erkennbar. So ist der hochdeutsche "Zeitvertreib" der Oberharzer “Vorpasterlantand”, das dem französischen "pour passer les temps", also "die Zeiten passieren lassen", entstammen soll
Die Treppe vor einem Oberharzer Haus heißt bei uns "Trittewar", mundartlich ausgesprochen als: "Trittewar", zusammengesetzt aus dem Oberharzer "Tritt", dem mehrstufigen Eingang zu einem Haus, und dem französischen "Trottoir", dem Fußweg.
Merkmal: Wechsel von Vokalen zum "ä“
Hochdeutsch für: "ein Ei ist ein ein Ei"
Clausthaler Mundart: "än Ãh is än Ãh“,
Westharzer Bergstädte: "ä Ã is ä Ã",
Clausthaler Mundart: die "Neige" im Glas ist "de Nähch", im Plural heißen die Neigen: "de Nähng".
Das französische Wort für Schnee, "la Neige", wird phonetisch "Nähsch", ausgesprochen, also wie im Oberharz bzw. umgekehrt.
Merkmal:
Wandlung des harten "s" in das weiche "sch" oder in das
weiche "s"
Wandlung des scharfen "ß" in Kombination mit einem
Vokalaustausch
Beispiel auf Mundart:
“dos war ju än arschtaunliches Schpiehl"
“das war ein erstaunliches Spiel”,
für das scharfe ”ß”: der hochdeutsche "Salat" ist der Oberharzer "ßalat", der "Soldat" ist der "ßoldat", andererseits ist das hoch-deutsche „bloß“ das Oberharzerische weiche „bluhs“, die “Füße” sind wieder das harte „Fieß“.
Daraus entsteht für Nicht-Oberharzer natürlich oft der falsche
Eindruck, diese Mundart klinge hart und für manche sogar
ordinär, wenn es in Einzahl und Mehrzahl heißt:
Ziege/Ziegen “Ziehch/Ziehng”,
Kuh/Kühe "Kuh/Kieh",
Strumpf/Strümpfe "Schtrump/Schtrimp", Leute
"Leit"; Freude
"Frähd",
Freund/Freunde "Freind/Freinde", Wiese
"Wieß",
Wurst/Würste "Worscht/Werscht", zuerst
"zuerscht" ,
Hase/Hasen “Hos/Hosn”, Hose/Hosen
"Hus/Husn"
heißen, ähm ... "hähßn".
Merkmal: Austausch und unbetonte Vokale
In der Oberharzer Mundart wird vornehmlich das “e” gegen andere Vokale ausgetauscht oder man betont es nicht. Was nicht betont wird, braucht auch nicht geschrieben zu werden.
Die hochdeutschen männlichen und weiblichen bestimmten Artikel „der, die" in der Oberharzer Mundart nur mit "dr, de" geschrieben. Der hochdeutsche, sächliche, bestimmte Artikel "das" wird im Oberharz einfache "es" genannt.
Merkmal: der ausgelassene Akkusativ (4. Fall)
Beispiel:
Mundartlich:
Iche gieh off dr
Huchzich
direkt übersetzt:
Ich gehe auf der
Hochzeit
Hochdeutsch:
Ich gehe auf die
Hochzeit
Mundartlich:
Ich kumm off deiner Red
zurick
direkt übersetzt:
Ich komme auf deiner
Rede zurick
Hochdeutsch:
Ich komme auf deine
Rede zurück
Mundartlich:
Ich gieh iewer dr
Schulwies hemm
direkt übersetzt:
Ich gehe über der
Schulwiese nach Hause (heim)
Hochdeutsch:
Ich gehe über die
Schulwiese nach Hause
Merkmal: Zusammenziehen von Worten
Verben und Verbindungen mit einem hochdeutschen Verb, z.B.: „lassen“ oder in Befehlsform „lass“ können in unserer Mundart zusammengezogen werden.
Beispiele:
„loßdr“ (lass
dir), „loßmr“
(lass mir), „loßmersch“ (lass mich es),
loßdersch“ (lass
dich es) oder mit dem Verb „wollen“ heißt es „wullnmr“ („wollen wir),
„wullter“
(wollt ihr), oder mit dem Verb gehen: “giehnmr” (gehen wir),
“giehter?” (geht
ihr?) "wursch"
(wurde es)
Merkmal:
„Betonungswechsel ist
Sinnwechsel“
An dem hochdeutschen Wort „einmal“ soll
verdeutlicht werden, dass dieses im Oberharz zwei Bedeutungen
hat, das aber jeweils von der Betonung der ersten oder zweiten
Silbe des Wortes abhängt.
Liegt die Betonung auf der ersten, so wird es „ämol“ (einmal) gesprochen, dagegen mit Betonung auf der zweiten sich das Wort in „emol“ (ein einziges Mal) wendet.
Silbe 1: „Off ämol wursch Nacht“ (auf einmal wurde es
Nacht);
Silbe 2: „kumm doch emol har! (komm doch (nur) ein Mal her).
Dieses hat sich der heutigen Mundart angepasst, so dass für beide Fälle „ämol“ -einmal- genommen werden kann und dadurch das andere fast verschwindet.
Merkmal: Wechsel der
Buchstabenfolge zum
"w"
Fester Bestandteil der Oberharzer Mundart ist der Wechsel der Buchstabenfolge mit einem “b” nach einem Vokal, z. B. “ib”, “ub”, “ab”, „ob“ usw., auch im Wortinnern, zum “w”.
Diese Regel wird bei allen Oberharzer Autoren vergangener Zeiten in ihren Veröffentlichungen angewendet.
Beispiele:
über = iwer; aber = ower; Gabel = Gawel; Nebel = Nawel; Narbe = Narwe, der Narbige = dr Narwete; Räuber = Reiwer, rauben = reiwern; Oktober = Oktower, Säbel = Sawel
Merkmal: Französische Sprachrelikte
Die Oberharzer Mundart verfügt noch über französische Sprachrelikte aus der Besatzungszeit oder von den in den Oberharzer Gruben arbeitenden Hugenotten (Verfolgte evangelische Glaubensgemeinschaften aus dem Burgund). Man kann in vielen Fällen noch den französischen Ursprung erkennen. (Zusammenstellung mit Peter Wiehr)
Beispiele:
Trittewar Trottoir zusammengefasst aus „Tritt“ und Trottoir
Schäselong Chaiselongue Sofa, schlesisch: Scheslong
Kuntenanz Contenance Haltung
Kannapee Canapé Sofa mit Lehnen
Terreng Terrain Gebiet
Schandarrem Gendarm Polizist
rateriern retirez überlegen
Muscheh Monsieur Herr
Peeapee peu-a-peu nach und nach
mutterseelnalläne moi tout seul ich ganz allein
Mallär Malheur Ungemach
Malad malade krank
Kassarol Casaroll Stieltopf